Sie sind klein, unscheinbar und doch so wichtig – Regenwürmer. Sie helfen dabei unsere Böden und Pflanzen gesund zu halten. Doch sie führen kein einfaches Leben.
Die kleinen Bodengräber gibt es fast überall auf der Welt, außer in Wüsten- und Polarzonen. Über 3.000 verschiedene Arten sind bekannt, von denen allein in Deutschland 46 leben! Die hierzulande am häufigsten vorkommenden Arten sind der Tauwurm (Lumbricus terrestris) und der Kompostwurm (Eisenia foetida), auch Mistwurm genannt.
Der Regenwurm gehört zum Tierstamm der Gliederwürmer, der sich in die Klassen der Vielborster (z. B. Wattwurm) und Gürtelwürmer/Wenigborster (z. B. Egel) unterteilt. Zur letzteren gehören etwa die Familien der Schlammröhrenwürmer, der Riesenregenwürmer und der Regenwürmer (Lumbricidae). Die Abgrenzung von Regenwürmern zu anderen Wurm-Familien ist in der Fachwelt jedoch uneinheitlich, weshalb die Anzahl der Regenwurm-Arten schwankend ist.
Und falls Sie dachten, dass der Regenwurm „Regenwurm“ heißt, weil er bei Regen an die Oberfläche kommt, liegen Sie nach Angaben des NABU und der Süddeutschen Zeitung falsch. Man geht eher davon aus, dass sich der heutige Name aus der Bezeichnung „reger Wurm“ – so wurde der Regenwurm im 16 Jahrhundert genannt, da er ständig gräbt und frisst – entwickelt hat.
Merkmale
Regenwürmer werden zwischen zwei und acht Jahre alt. Ausnahme ist der Badische Riesenregenwurm, der ein stolzes Alter von 20 Jahren erreichen kann. Die Lumbricidae können zwar riechen, aber weder sehen, hören noch Laute von sich geben. Sie haben kein Rückgrat und keine Zähne und atmen durch ihre Haut.
Die körperlich stark eingeschränkten Tiere sind jedoch kleine Kraftprotze: Sie können beim Durchgraben der Erde das bis zu 60-Fache ihres Körpergewichts bewegen. Im Verhältnis zu ihrer Körpergröße, die beim Tauwurm zwölf bis 30 cm und beim Mistwurm vier bis 15 cm beträgt, gehören sie zu den stärksten Tieren der Erde.
Regenwürme können die unterschiedlichsten Farben haben, doch meist sind sie auf der Rückenseite dunkelrot bis violett und auf der Unterseite sehr blass, wie etwa der Tauwurm. Der Kompostwurm hat hingegen zusätzliche gelbliche Ringe um seinen Körper. Sie haben spitz zulaufenden Vorder- und Hinterenden, wobei der hintere Teil von Regenwürmern löffelförmig abgeflacht und heller ist.
Typisch für den Körperbau von Regenwürmern ist die Segmentierung des Körpers in ringförmige Elemente. Die bis zu 160 Segmente weisen jeweils vier Paar borstenförmige Haare aus Chitin auf, die ihnen bei der Fortbewegung helfen. Regenwürmer nutzen ihre Längs- und Ringmuskeln um sich abwechselnd lang zu strecken und wieder zusammenzuziehen. Die Chitin-Haare werden dabei im Boden verankert, damit sich der Wurm nach vorne bewegt und nicht nach hinten rutscht.
Lebensraum und -weise
Am liebsten graben sich Regenwürmer im Frühjahr und Herbst bei einer Temperatur von zehn bis 15°C durch feuchten, lockeren, nährstoffreichen Boden – in Mitteleuropa bis zu drei Meter in die Tiefe. Der Tauwurm durchwühlt dabei meist Äcker, Weiden, Wiesen, Gärten und Obstanlagen, während der Kompostwurm, wie sein Name bereits vermuten lässt, hauptsächlich in Komposthügeln, aber auch in Misthügeln und Wiesenböden zu finden ist. Der pH-Wert des jeweiligen Bodens darf dabei nicht niedriger als 3,5 sein – wie zum Beispiel bei Mooren. Denn zu säurehaltige Böden zerstören den schützenden Schleimmantel der Regenwürmer. In einem gesunden Boden leben durchschnittlich 100 Regenwürmer pro Kubikmeter.
Dabei unterscheidet man zwischen den epigäischen, den endogäischen und den anözischen Arten. Die epigäischen Arten leben nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche und haben Pigmente zum Schutz vor der UV-Strahlung. Die endogäischen Arten leben wiederum tief unten in der Erde, kommen kaum an die Oberfläche und sind daher sehr bleich. Gemeinsam habe sie jedoch, dass sich beide Arten horizontal kreuz und quer durch den Boden graben und sehr instabile Tunnel hinterlassen. Ganz anders die anözischen Arten wie der Tauwurm. Er gräbt vertikal durch den Boden und stabilisiert seine Gänge mit Schleim und Exkrementen.
Im Sommer und Winter, bei zu heißen oder zu kalten Temperaturen, ziehen sich die Lumbricidae tief in die Erde zurück und fallen in einen Sommer- beziehungsweise Winterschlaf. Im Winter wird dabei vorab der Schlafplatz mit Kot isoliert. Anschließend kringelt sich der Wurm spiralförmig zusammen, mit dem Vorderteil im Zentrum der Spirale, und verfällt in einen Starrezustand. Während dieser Zeit verliert der Regenwurm ungefähr die Hälfte seines Körpergewichts, das zu 90 Prozent aus Wasser besteht.
Nahrung
Regenwürmer graben und fressen fast pausenlos. Dabei ernähren sie sich von abgestorbenen Pflanzenresten, Mikroorganismen und Blättern. Diese zieht der Wurm von der Oberfläche in seine Röhre und klebt sie dort mit Schleim fest. Denn bevor der Regenwurm die Blätter fressen kann, müssen Pilze und Bakterien die Nahrung mundgerecht für ihn zerkleinern. Sie fressen pro Tag knapp die Hälfte ihres Körpergewichtes.
Die aufgenommene Nahrung wird anschließend im sogenannten Muskelmagen der Regenwürmer zerrieben und durch den Verdauungssaft zu Brei verarbeitet, der anschließend ausgeschieden wird. Dieser, auch als Wurmhumus bezeichnete Kot, ist nichts weiteres als besonders gute Erde und ein hervorragender natürlicher Dünger. Aber das ist nicht der einzige Vorteil, den der Regenwurm für die heimischen Böden mit sich bringt.
Der Bodenverbesserer
Regenwürmer sind ein Segen für jeden Boden. Sie kompostieren altes Laub, graben die Erde um, bringen dadurch Nährstoffe von unten nach oben und beugen die Verfestigung des Bodens vor. Zudem belüften ihre Gänge das Erdreich, wodurch der Boden besser und gleichmäßiger Wasser aufnimmt. Wild- und Kulturpflanzen sind dabei ein großer Profiteur der Regenwurm-Arbeit: Sie bekommen durch die umgegrabene Erde genügend Wasser und gelangen mit ihren Wurzeln einfacher an wichtige Mineralien sowie den nährstoffreichen Regenwurmkot. Die Folge: besseres Wachstum!
Fortpflanzung
Die Fortpflanzung der Regenwürmer findet hauptsächlich im Frühjahr und Herbst statt, im Schutz der Dämmerung an der Erdoberfläche. Dann sind die Boden- und Wetterverhältnisse am geeignetsten.
Regenwürmer sind Zwitter. Das bedeutet, dass jedes Tier sowohl Hoden als auch Eierstöcke besitzt. Geschlechtsreife Würmer erkennt man an dem Clitellum, eine verdickte Hautregion im vorderen Drittel des Körpers. Beim Geschlechtsakt, der mehrere Stunden dauern kann, legen sich die Regenwürmer so aneinander, dass der Kopf zum Schwanzende des Partners zeigt. Dann drücken die Würmer ihre Körper aneinander und drücken ihre Samen in das Clitellum (die Samentasche) des anderen.
Anschließend bilden die Würmer jeweils einen Schleimring, aus dem sie sich langsam herausziehen. Passiert der Ring das weibliche Geschlechtsorgan, werden dabei Eier in den Ring abgegeben. Wenn der Ring die Samentaschen passiert, werden die Eier befruchtet. Wenn der Schleimring komplett abgestreift wurde, bildet er sich zu einem weizenkorngroßen Kokon. Die Anzahl der befruchteten Kokons ist dabei von Wurm zu Wurm unterschiedlich. Der Tauwurm bildet bis zu 90 Kokons, während es beim Kompostwurm bis zu 140 sein können. Die Zeit bis zum Schlüpfen der Nachkömmlinge kann dabei stark variieren. Bei einer Temperatur von 25 Grad schlüpfen die Babys des Kompostwurms bereits nach 16 Tagen. Beim Tauwurm dauert die Brutzeit, bei einer Bodentemperatur von 12 Grad, länger als vier Monate.
Gefährdung
Regenwürmer erreichen ihr mögliches Alter von bis zu acht Jahren nur relativ selten, da sie in freier Wildbahn sehr viel Fressfeinde haben. Dazu gehören unter anderem diverse Vögel, Maulwürfe, Dachse, Igel, Frösche sowie Mäuse. Die größte Bedrohung für die Zukunft, wie bei so vielen Tieren, stellt jedoch der Mensch dar.
Bis ins 19 Jahrhundert galt der Regenwurm in Mitteleuropa als Pflanzenschädling. Heutzutage ist sein Wert als Nützling für den Boden zwar bekannt, doch durch zunehmen Waldrodungen und Bebauungen von Bodenflächen (Versiegelungen) schwindet sein Lebensraum. Hinzu kommt, dass das Pflügen und Düngen in der Land- und Forstwirtschaft sowie die Verwendung von Pestiziden und Herbiziden, negative Auswirkungen auf die Fortpflanzung haben.
Wie stark der Regenwurm gefährdet ist, lässt sich jedoch bisher nicht genau sagen. Eine Gefährdungsanalyse von 43 in Deutschland heimischen Arten brachte laut dem „Rote Liste Zentrum“ jedoch zum Vorschein, dass lediglich 5% der bewerteten Regenwürmer bestandsgefährdet sind. 51% der Arten sind nach Angaben der Analyse ungefährdet und 33% extrem selten. 2% stehen auf der Vorwarnliste.
Es liegt also wieder einmal an uns Menschen, den Erhalt der kleinen, aber so wichtigen Bodenpfleger auch in Zukunft zu sichern. Dies schon im eigenen Interesse.
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