Ein Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers, Euskirchen/Eifel extra, vom 03.08.2016
Die Vorleserin von Katzvey
Tierschutz: Marliese Weinem-Salentin kümmert sich viermal pro Woche um verwilderte Katzen
Von Tom Steinicke
Mechernich. Jeden Morgen kommt Marliese Weinem-Salentin ins Mechernicher Tierheim - außer freitags. Dieser Tag ist für das gemeinsame Frühstück mit ihrem Mann reserviert. Ansonsten ist die 58-Jährige nach den tierpflegern die erste im Mechernicher Tierheim. Ihr Weg führt ohne Umwege zu den Katzen. An diesem Tag hat sie kein Buch dabei, dafür aber natürlich wieder zahlreiche Leckereien für die verwilderten Samtpfoten. "Ich lese den Katzen etwas vor und füttere sie. Wenn ich kein Buch mitnehme, erzähle ich ihnen etwas - zum Beispiel von meinem Kater Jupp, dem Wetter oder meinen Enkeln", sagt Weinem-Salentin.
Der Vorsitzende des Mechernicher Tierschutzvereins, Reiner Bauer, ist unfassbar glücklich,dass die Katzveyerin plötzlich vor der Tür stand und ihm mit ihrem Anliegen, sich um die Katzen zu kümmern, konfrontierte. "Da die Katzen sehr scheu sind und Menschen gar nicht kennen, haben sie eigentlich nur eine Minimalchance, vermittelt zu werden. Durch Frau Weinem-Salentin gewöhnen sie sich an den Menschen.
Seitdem sie sich so intensiv mit den Katzen beschäftigt, haben wir schon mehrere Tier vermitteln können. Dafür bin ich ihr sehr dankbar."
Mehr als 20 Katzen kommen immer mal wieder in den überdimensionalen Katzenkäfig, wenn die "Katzenvorleserin" Platz genommen hat und vor allem, wenn die Leckerchen-Dose sich öffnet. "Manche habe Respekt, den sie aber mehr oder weniger schnell ablegen, manche sind total verschüchtert und gehen beim kleinsten Geräusch stiften", erzählt sie. Sie merkt den Katzen an, dass sie kein einfaches Leben gehabt haben: "Es sind typische Katzen, die in der freien Natur leben und auf sich gestellt sind."
"Eine Faustregel, wie lange es dauert, bis sich die Katzen an den Menschen gewöhnt haben und vermittelt werden können, gibt es nicht", berichtet Bauer."Schwarznase" - so hat Weinem-Salentin einen Kater mit auffällig schwarzer Nase getauft - ist schon zutraulich geworden: "Am Anfang war er sehr skeptisch. Mittlerweile legt er sich ins Regal und hört einfach zu, wenn ich erzähle - wie eine Art Hörspiel", sagt die Katzenliebhaberin.
Für die 58-jährige Frührentnerin ist der morgentliche Besuch im Tierheim mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. "Mir tut die Stunde im Tierheim mindestens genauso gut, wie den Katzen", sagt sie. Ihr eigener Kater Jupp sei Freigänger und nur selten zu Hause. "Eigentlich nur zum Fressen", sagt sie lachend.
Mit ihrem Mann habe sie lange Zeit zwei Hunde gehabt. Die mussten aber altersbedingt eingeschläfert werden. "Einen neuen Hund können wir uns leider nicht zulegen. Mein Mann ist wegen seiner Arbeit viel unterwegs und ich kann dem Bewegungsbedürfnis eines Hundes wegen meiner Gesundheit nicht mehr nachkommen", bedauert sie. Ein spezielles Buch habe sie übrigens nicht, aus dem sie den Tieren vorlese. Meist sind es ein blinder Griff in den Bücherschrank und der Zufall, die darüber entscheiden, aus welchem Buch vorgelesen wird.
Die 58-jährige Ehrenamtlerinhofft, dass sich die Tierheimtüren bald noch früher am Tag für sie öffnen werden: "Dann kann ich auch freitags den Katzen vorlesen und etwas später mit meinem Mann frühstücken."